UGÖD zum Entwurf einer Vereinbarung über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots - Begutachtung

An das

Bundesministerium für Familie und Jugend

 

An das

Präsidium des Nationalrates

(mit der ausdrücklichen Zustimmung zur Veröffentlichung)

 

zum Entwurf einer Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots - Begutachtung, BMFJ - 421100/0009-BMFJ - I/2/2014

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zum ausgesandten Gesetzestext erlauben wir uns grundsätzlich festzustellen, dass er den gesellschaftlichen und pädagogischen Anforderungen nicht entspricht, auch wenn dieser Gesetzesentwurf semantische Verbesserungen enthält:

 

„In Artikel 1 wird im Absatz 2 die Wortfolge „Kinderbetreuung“ durch „elementare Kinderbildung und -betreuung“ ersetzt.“, der rein symbolische Charakter dieser zutreffenderen Wortwahl zeigt sich aber darin, dass diese Elementarbildung nicht nachhaltig gefordert und auch nicht mit entsprechenden Vorgaben eingefordert wird:

 

„In Artikel 1 wird ein Absatz 4 angefügt: „(4) Die Bildungs- und Betreuungsqualität für Kinder bis zum Schuleintritt soll weiterentwickelt werden.“

 

Im Artikel 2 „Ausbau des Kinderbildungs- und -betreuungsangebots“ bleibt die „Vereinbarung“ wie immer unverbindlich und sehr vage:

 

„Die Vertragspartner kommen überein, im jeweiligen Zuständigkeitsbereich die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um das Barcelona-Ziel der Europäischen Union 2/SN-37/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) für die Kinderbetreuung anzustreben, wobei ganztägige und mit der Vollbeschäftigung der Eltern zu vereinbarende, flexible elementare Kinderbildung und -betreuung besonders gefördert wird. Als Schwerpunkt gilt der Ausbau des elementaren Kinderbildungs- und -betreuungsangebotes für die Unter-Drei-Jährigen, wobei die Betreuung durch die Tagesmütter und -väter im Sinne des Art. 4 Z 2 in besonderem Maße unterstützt werden soll.“

Entsprechende Maßnahmen bei Nichteinhaltung sind jedoch nicht vorgesehen, eine Qualitätssicherung ist - in Artikel 10 - nur in Aussicht gestellt:

 

„Die Vertragspartner kommen überein, zur Sicherung der Betreuungsqualität in Kinderbildungs- und -betreuungsangeboten bundesweite Empfehlungen über Mindeststandards in der Kinderbetreuung zu erarbeiten. Hierfür soll ein bundesweiter Qualitätsrahmen für die elementarpädagogischen Einrichtungen bis 2016 entwickelt werden.

 

Was neuerlich insbesondere fehlt und wir daher ein weiteres Mal dringend einfordern, ist der seit Jahren geforderter und versprochener bundesweiter Qualitätsrahmenplan (siehe dazu den von der

Plattform EduCare erstellten und auch von den Unabhängigen GewerkschafterInnen/UG in der GÖD begrüßten Entwurf.

 

Im vorgelegten Gesetzesentwurf bleiben aber weiterhin

• die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindergärten dem guten Willen und den finanziellen Möglichkeiten der Länder, Gemeinden und Träger überlassen,

• der Ausbau und Öffnungszeiten/Schließzeiten weitgehend unter Vorbehalt eines nicht konkretisierten „bedarfsorientierten Angebotes für Eltern“,

• die Aus-, Fort- und Weiterbildung der ElementarpädagogInnen und des weiteren elementarpädagogischen Personals wird überhaupt nicht angesprochen. Das hat zu schon zu bisher zu uneinheitlichen Ausbildungsangeboten geführt – KIWI/babe+, FH Campus Wien/Bachelorausbildung, Universität Salzburg/Bildungshaus St. Virgil sind begrüßenswerte Initiativen – der Bund als für Bildung bundesweit zuständige Stelle darf sich damit aber nicht aus seiner Verantwortung für die Ausbildung der österreichischen ElementarpädagogInnen stehlen und die ohnehin nur rudimentär im Rahmen der PädagogInnenBildungNEU angesprochene Ausbildung der ElementarpädagogInnen ein weiteres Mal vernachlässigen. Die vorhandenen positiven Ansätze der Pädagogischen Hochschulen Steiermark, Kärnten, Burgenland und der Universität Graz, die sich zum Entwicklungsverbund Süd-Ost zusammengeschlossen haben, um auch ein gemeinsames Studium für Elementarpädagogik zu entwickeln, sind – vermutlich wegen der unzureichenden Unterstützung durch den Bund - noch immer wenig konkret und brauchen endlich wirksame Bundesförderung.

 

Nach wie vor gibt es nur einen Lehrstuhl für Elementarpädagogik – an der Universität Graz – und „bald“ (!) auch eine Stiftungsprofessur der Länder Tirol und Vorarlberg für Elementarpädagogik an der Universität Innsbruck. Der Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung ist in Österreich – im Gegensatz zu anderen EU-Staaten – ein stark vernachlässigtes Lehr- und Forschungsgebiet.

 

Semantisches Bekenntnis ohne Verpflichtung und konkrete Vereinbarungen, deren Einhaltung auch mit Sanktionen eingefordert werden kann (wie dies der Rechnungshof fordert), ist schön, aber wirkungslos: Wir fordern einen Rechtsanspruch, es geht um einklagbares Recht.

 

Ein gemeinsames Bekenntnis von Bund, Land und Gemeinden allein ist zu wenig, die Verpflichtung, dieses Bekenntnis auch umzusetzen ist dringend notwendig, z.B. Betreuungsplätze in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen, Öffnungszeiten anders zu gestalten und im Sommer den Kindergarten keinesfalls neun Wochen zu schließen.

 

Wir Unabhängige GewerkschafterInnen fordern, dass der Bund die Mindeststandards einheitlich und verbindlich vorgibt und dass den Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleiches ausreichende und damit mehr finanzielle Mittel zur Umsetzung zur Verfügung gestellt werden. Ohne eine sozial umverteilende Steuerreform, ohne vermögensbezogene Steuern werden weder Mindeststandards noch die ausreichende Bereitstellung der Elementarpädagogischen Einrichtungen noch die der Tätigkeit entsprechende Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Einkommen der ElementarpädagogInnen und des sonstigen Personals möglich sein.

 

Glück auf, mit freundlichen Grüßen

Beate Neunteufel-Zechner, Reinhart Sellner – Vorsitzende der UGÖD/Unabhängige GewerkschafterInnen im öffentlichen Dienst und ausgegliederten Betrieben

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